In der Sitzung des Rates vom 20. Dezember 2016 hielt der Fraktionsvorsitzende der SPD, Manuel García Limia, die Rede zum städtischen Haushalt 2017, die hier im Wortlaut wiedergegeben wird.
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Ratskolleginnen und -kollegen,
es sind noch keine 10 Monate seit der Verabschiedung des letzten Haushaltes vergangen. Grundsätzliche Veränderungen sind – wie es auch nicht zu erwarten war – in dieser Zeit nicht eingetreten. Die meisten Themen, die im Zentrum der Beratungen zum Haushalt 2016 auf der Agenda standen und Politik und Verwaltung in Viersen beschäftigt haben, finden sich wie ein roter Faden auch im Haushaltentwurf für das Jahr 2017 wieder. Und daher wird es Sie auch nicht überraschen, dass die SPD-Fraktion dem vorgelegten Haushalt wie schon im Februar dieses Jahres zustimmen wird.
Was sich übrigens auch nicht ändert, ist die Stellungnahme der IHK zum Haushalt der Stadt Viersen. Wie schon in den Vorjahren fordert die IHK die Stadt Viersen darin auf, die Sparanstrengungen zu intensivieren. So erklärte der stellvertretende IHK-Präsident Scholz: „Wir halten die Lage der Viersener Kommunalfinanzen nach wie vor für problematisch“. Es ist ja nicht so, dass uns hier im Rat diese Situation nicht bewusst ist. Immerhin attestiert uns die IHK, dass die Stadt auf dem richtigen Weg ist.
Natürlich hat die IHK – betrachtet man den vorgelegten Ergebnis- und Finanzplan wertfrei – Recht, dass die Stadt Viersen ihre Rücklagen auch weiterhin aufbraucht. Jedoch sollte man den Haushalt einer Kommune nicht aus einem rein betriebswirtschaftlichen Blickwinkel betrachten.
Wir sind auf dem richtigen Weg. Nur Kommunen mit soliden Finanzen können sich den Herausforderungen der Zukunft stellen. Selbstverständlich ist es ein langer Weg und trotz aller Anstrengungen stehen wir vor Schulden in dreistelligem Millionenbereich. Aber wir bauen unsere Schulden kontinuierlich ab. Von rund 142 Millionen im kommenden Jahr auf 119 Millionen im Jahr 2022. Und darüber hinaus ist – wie der Kämmerer bei der Einbringung des Haushaltes formuliert hat – ein Haushaltsausgleich bereits 2021 möglich. Wir verschaffen uns somit Schritt für Schritt größere Handlungsfähigkeit.
Auf diesem Weg gibt es jedoch eine Reihe von Risiken und Unwägbarkeiten. Ob Personalkosten, die Gewerbesteuer, Schlüsselzuweisungen, die Kreisumlage oder neue Aufgaben von Bund und Land: Hier lauern überall Risiken, die unsere Anstrengungen obsolet machen können. Was die Kreisumlage betrifft sind wir im Kreis Viersen übrigens nicht alleine mit unserer Kritik, wie man in dem Schreiben aller Bürgermeister des Kreises an den Landrat lesen kann. Während wir seit Jahren den Weg der Finanzkonsolidierung gehen, scheint sich der Kreis – und hier hat sich durch den Wechsel des Landrates nichts geändert – darauf auszuruhen, dass er die kreisangehörigen Kommunen als finanzielles Backup in der Hinterhand hat. Substanzielles was Sparmaßnahmen betrifft liest und hört man vom Kreis eher nicht.
„Wer bestellt, soll bezahlen.“ Nach Art. 78 Abs. 3 der Landesverfassung NRW kann das Land „die Gemeinden und Gemeindeverbände durch Gesetz oder Rechtsverordnung zur Übernahme und Durchführung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichten, wenn dabei gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten getroffen werden.“ Zumindest sollte es so sein. Aber bei aller berechtigten Kritik an der Praxis von Bund und Land, Kommunen oftmals mit Aufgaben zu überfrachten, gleichzeitig aber bei den Kosten alleine zu lassen, gibt es durchaus auch Bewegung. Die Bundesregierung hat auf Drängen der SPD massive finanzielle Unterstützung für die Kommunen - 4 Jahre lang 5 Mrd. € pro Jahr - durchsetzen können. Ab dem Jahr 2018 erhält die Stadt Viersen dank dieses Beschlusses jährlich rund 2,3 Mio. € pro Jahr. Und der Bund hat Geld zur Integration zur Verfügung gestellt. Auch das Land entzieht sich hier nicht mehr seiner finanziellen Verantwortung, selbst wenn es – nach Einschätzung der kommunalen Spitzenverbände – Luft nach oben gibt. Beispielsweise im Rahmen von Stadtteilerneuerungsprogrammen können die Kommunen auf deutlich mehr Mittel zurückgreifen.
Trotz aller Schwierigkeiten bestehen auf kommunaler Ebene immer noch Gestaltungsspielräume. Es gibt zwar die, die fordern, dass man in Zeiten knapper Kassen auf geförderte Maßnahmen verzichten solle. Aber das ist der falsche Ansatz. Viele der positiven Veränderungen wären dann nicht möglich. Vor Ort erleben die Bürgerinnen und Bürger die Auswirkungen von Politik direkt. Veränderungen auf kommunaler Ebene vollziehen sich meist nur in kleinen Schritten. Hier sind wir gefordert. Viersen muss auch weiterhin eine Stadt für alle sein. Eine lebenswerte Stadt, in der man wohnt, arbeitet und seine Freizeit verbringt. Wir leisten viel für die Bürgerinnen und Bürger. Darauf können Politik und Verwaltung mit Recht stolz sein. Das wollen wir auch weiterhin erhalten und pflegen. Und dies vor dem Hintergrund, dass der Anteil der freiwilligen Leistungen – also den Leistungen, auf die wir Einfluss haben – lediglich rund 3,2 % des gesamten Haushaltes ausmacht. Gerade die freiwilligen Leistungen sind es jedoch, die den Charakter einer Stadt ausmachen und uns von anderen Städten unterscheidbar machen. Hier müssen wir als Kommunalpolitiker sensibel sein, wenn es darum geht zu sparen. Der Kultur- oder der Sportbereich sind gute Beispiele dafür, dass auch in Zeiten angespannter Finanzen kreative Lösungen gefunden werden können. Einer Aufgabenkritik müssen wir uns jedoch stellen. Wir müssen hinterfragen, ob jede Ausgabe sinnvoll ist oder nicht auch anders gelöst werden kann. Die SPD-Fraktion ist dazu bereit.
Wir sind nicht nur finanziell auf dem richtigen Weg. Schaut man sich an, wie sich Viersen in vielen Bereichen positiv entwickelt hat und welche städtebaulichen Veränderungen in den letzten Jahren auf den Weg gebracht worden sind, dann sieht man, dass wir wichtige Akzente gesetzt haben.
Sehen was sich verändert hat, kann man vor allem im Bereich der Südstadt. Hier ist schon vieles erreicht worden, aber es gibt noch viel zu tun. Wie gestalten und binden wir den Bereich des Josefsrings ein? Welche Impulse können wir geben? Diese Fragen werden wir in den nächsten Jahren beantworten müssen. Auch in Dülken sind wir mit den Planungen bzgl. des Historischen Stadtkerns auf dem richtigen Weg. Und auch in Süchteln haben sich Bürgerinnen und Bürger in diesem Jahr erstmals getroffen, um an einer Perspektivplanung für ihren Stadtteil zu arbeiten. Das zeigt nicht nur, dass die Verwaltung auf einem guten Weg ist, die Innenstädte attraktiver zu gestalten, sondern zudem bürgernah und transparent gearbeitet wird. Und mit Projekten wie unter anderem dem Baugebiet Burgfeld können wir die Attraktivität Viersens als Wohnstadt steigern.
Unter anderem für diese Planungen und Projekte müssen wir Geld in die Hand nehmen. Geld, das wir vermeintlich auf den ersten Blick nicht haben. Der Kämmerer hat bei der Einbringung dieses Haushaltes die Formulierung „Chancen gestalten“ verwendet. Und dazu gehört es auch, dass man trotz knapper Kassen in der Lage ist, unsere Stadt weiterzuentwickeln. Hier haben wir als Kommune nur die Chance die Fördertöpfe zu nutzen, die es uns ermöglichen wichtige Projekte anzustoßen. Stillstand hat noch keinem genutzt. Dies sind wir den Bürgerinnen und Bürgern schuldig. Übrigens auch denen, die es in Zukunft noch werden sollen.
Veränderungen gibt es auch in anderen Bereichen. Und Geld müssen wir auch dort investieren. Im KiTa-Bereich sind wir plötzlich – wie auch im Schulbereich – damit konfrontiert, dass die Zahlen der Kinder, anders als noch vor einigen wenigen Jahren prognostiziert, ansteigen. Dies hat unterschiedliche Gründe. Zum einen natürlich durch die Flüchtlingskinder, zum anderen aber auch, weil mehr Kinder geboren werden und es einen Zuzug von Familien gibt. Das ist für Viersen eine Chance, die wir nutzen müssen. Wir haben dadurch einen erhöhten Platzbedarf im KiTa-Bereich. So ergibt sich für Alt-Viersen in der Altersgruppe der Kinder über drei Jahren 2019/20 ein Fehlbestand von 92 Plätzen. Hier steuern wir – wie in der letzten Sitzung des JHA beschlossen - gegen und ich bin guter Hoffnung, dass es uns gelingt in Kooperation mit den Freien Trägern sinnvolle Lösungen zu finden. Das kostet Geld, was wir aber investieren müssen und wollen.
Auch unsere Schulen müssen besser werden. Die technische Ausstattung, aber auch die Modernisierung der Gebäude steht hier auf der Agenda. Das Förderprogramm des Landes „Gute Schule 2020“ stellt hierfür günstig Mittel bereit. Diese Mittel sollen jedoch nach Ansicht der SPD-Fraktion nicht bereits bestehende und in die Finanzplanung aufgenommenen Maßnahmen ersetzen. Hier geht es nicht um die mögliche Entlastung des städtischen Haushaltes, sondern einzig darum notwendige Maßnahmen umzusetzen, die bisher schlichtweg nicht finanzierbar waren. Eine enge Abstimmung mit den Schulen ist hierbei zwingend erforderlich.
Wie im KiTa-Bereich müssen auch bei den Schulen frühere Prognosen revidiert werden. Und das ist gut so. Wir können mit mehr Schülern rechnen als in früheren Jahren geplant. Die bestehenden Schulen sind zumindest mittelfristig in ihrem Bestand gesichert. Die Schulen stehen jedoch vor Herausforderungen. Und Fehler, die hier gemacht werden, wirken sich mittel- und langfristig aus. Themen wie Inklusion und Integration macht man nicht einfach nebenbei. Wir hätten uns erhofft, dass die Mehrheit dem Antrag die Zahl der Schulsozialarbeiter zu erhöhen, gefolgt wäre. Ein geeignetes Konzept liegt vor. Dennoch war man vor allem bei der CDU der Meinung, dass das nicht Aufgabe der Kommunen, sondern des Landes sei. Dass die CDU beim Thema des Kommunalen Ordnungsdienstes ihrer eigenen Logik nicht folgt, ist vermutlich lediglich der anstehenden Landtagswahl geschuldet. Im Falle der Schulsozialarbeiter hätte es die Lehrer entlastet und vor allem für die Schüler Vorteile gebracht. Gerade bei der Integration von Schülern ohne Deutschkenntnisse.
In der Frage der Integration der Flüchtlinge stehen wir nicht nur beim Thema KiTa oder Schule vor großen Herausforderungen. Die Lage hat sich zwar – was die Zahl betrifft – entspannt. Es sind weniger Menschen gekommen, als man zu Beginn des Jahres erwartet hat. Die Versorgung und Unterbringung hat funktioniert. Jetzt allerdings kommt es darauf an die Menschen zu integrieren. Wir wissen, dass dies keine Aufgabe ist, die wir nebenbei lösen. Die Diskussion zum Integrationsplan zeigt das, wie der Erste Beigeordnete bestätigen wird. Wir sind hier auf die Unterstützung durch die Zivilgesellschaft angewiesen. Dies geschieht in unserer Stadt bereits in einem hohen Maße. Darüber hinaus benötigen wir weiteren Wohnraum. Nicht nur, aber auch gerade für Flüchtlinge, für die Viersen zu ihrer neuen Heimat wird. Hier leistet die VAB als städtische Tochter ihren Beitrag. Die Integration dieser Menschen ist jedoch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Der Vorsitzende des Städtetages NRW, Pit Clausen sagt hier zurecht, dass „die Städte vom Land erwarten, dass es die Integrationskosten der Kommunen maßgeblich mitfinanziert, und zwar unabhängig von der Höhe der inzwischen zugesagten Finanzmittel des Bundes. Die besten Integrationspläne werden Makulatur, wenn das Geld fehlt, sie zu verwirklichen. Die Kosten einer gescheiterten Integration wären deutlich höher.“
Was uns in diesem Zusammenhang immens geärgert hat, - und das muss an dieser Stelle auch deutlich gesagt werden - war das Verhalten der Bezirksregierung bezüglich der Zentralen Unterbringungseinrichtung am Lichtenberg. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es durchaus einen Zusammenhang mit den deutlich niedrigeren Flüchtlingszahlen gab. Ob eine derartiger Umgang die richtige Strategie einer kooperativen Zusammenarbeit ist, stelle ich da eher in Frage. Zum Glück ist dieses Thema inzwischen in unserem Sinne geklärt worden. Genauso war der Umstand nicht hilfreich, dass der Kreis sich solange gegen das Kommunale Integrationszentrum gewehrt hat. Hier haben wir wertvolle Zeit verloren.
Viersen ist aber nicht nur ein Platz zum Wohnen und Leben, sondern war und sollte auch in Zukunft eine Stadt sein, in der man arbeitet kann. Die Möglichkeiten einer Kommune Arbeitsplätze zu schaffen ist natürlich – da brauchen wir uns nichts vorzumachen – begrenzt. Aber Instrumente wie das Gewächshaus, die Aktivierung der Innenstädte oder die Ansiedlung eines großen Unternehmens wie Reuter sind Mosaiksteinchen, die im Ganzen die Attraktivität unserer Stadt erhöhen können. Dazu gehört auch die weitere Entwicklung von Gewerbegebieten.
Dem Stellenplan stimmen wir ebenfalls zu. Gerade hier erfordern Entscheidungen eine hohe Sensibilität. Natürlich ist es uns bewusst, dass in Zeiten knapper Kassen gerade den Personalkosten, als einem der höchsten Posten eine wichtige Rolle zukommt. Bei allem Verständnis für die kritische Betrachtung des gewaltigen Kostenblocks: Wir fordern zu Recht eine handlungsfähige und kreative Verwaltung. Wir dürfen jedoch nicht übersehen, dass bei den Mitarbeitern in vielen Bereichen die Grenze der Belastung erreicht ist. Daher kann es für die Politik nur bedeuten, dass man hier nicht gedankenlos lediglich um des Sparens Willen spart. Dies heißt allerdings auch nicht, dass man nicht kritisch hinterfragen darf, ob Aufgaben und Tätigkeiten nicht anders organisiert werden können. Und hier muss sich Politik fragen, ob jede beantragte Stelle einer wirklichen Notwendigkeit geschuldet ist, oder doch nur einem Wahltermin im Mai des nächsten Jahres.
Lassen Sie mich zum Ende der Haushaltsrede noch ein paar Worte zum Thema Stadtarchiv sagen. Wir Sozialdemokraten haben uns aus guten Gründen gegen die Aufgabe eines sehr guten und vor allem bürgernahen Archivs gewandt. Dies nicht nur aus inhaltlichen, kulturellen und pädagogischen Gründen. Auch die finanziellen Risiken einer Kreislösung waren für uns von zentraler Bedeutung. Wir hoffen, dass wir mit unseren Bedenken schlussendlich nicht Recht behalten werden. Dies wäre für die Stadt fatal.
Abschließend möchte ich mich im Namen meiner Fraktion beim Kämmerer und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Kämmerei und Finanzverwaltung für die geleistete Arbeit bedanken.