17. Dezember 2019
Haushaltsrede
„Viersen muss auch weiterhin eine Stadt für alle sein!“
Haushalt wurde verabschiedet
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Ratskolleginnen und -kollegen,
alle Jahre wieder kommen wir hier zusammen, um über den Haushalt unserer Stadt zu entscheiden. Etwas hat sich jedoch geändert: Es ist uns endlich gelungen, finanzpolitisch wieder handlungsfähig zu sein. In den letzten 25 Jahren haben Politik und Verwaltung große Anstrengungen unternommen, um dies zu erreichen. Es war richtig, dass die Mehrheit des Rates die Chance ergriffen hat, einen frühzeitigen Ausstieg aus dem Haushaltssicherungskonzept zu wagen. Alles andere wäre fahrlässig gewesen, da wir von Entwicklungen abhängig gewesen wären, die wir nicht unmittelbar beeinflussen können. Solange Bund und Land beim Konnexitätsprinzip weiterhin auf halber Strecke stehen bleiben, ist die finanzielle Ausstattung der Kommunen immer externen Rahmenbedingungen ausgesetzt. Und man muss den Bogen auch weiterspannen, was Einflüsse und Faktoren betrifft, die wir nicht beeinflussen können. Da ist der Kreis mit seiner Kreisumlage nur ein sehr naheliegendes Beispiel. Auch ökonomische Faktoren, wie der Brexit oder andere Unsicherheiten wirken sich auf die Konjunktur und somit auch auf unsere Stadt aus. Daher war es die richtige Entscheidung. Darauf können wir als Rat der Stadt Viersen stolz sein.
Die intensiven Sparanstrengungen haben nicht dazu geführt, dass es zu einem Stillstand gekommen ist. In den letzten 15 Jahren haben wir Viersen kontinuierlich weiterentwickelt. Viele Projekte wurden angestoßen und die richtigen Weichen gestellt. Die Entwicklung der Südstadt, die Umgestaltung des Alten Marktes in Dülken, die Melcherstiege, das Bahnhofsumfeld, die Perspektivplanung für Süchteln, der Ausbau der KiTas und der OGS sind nur ein kleiner Ausschnitt. Das alles trotz knapper Kassen. Sparen und dabei weiterhin die Stadt zu entwickeln, ist nicht einfach. Uns ist es gelungen. Übrigens unter der Federführung von sozialdemokratischen Bürgermeistern. Auch darauf können wir stolz sein.
Der Kämmerer hat bei der Einbringung des Haushaltes darauf hingewiesen, dass das Verlassen der Haushaltssicherung nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass die finanzielle Situation nach wie vor angespannt ist. Man kann es sich natürlich leicht machen und diese Einschätzung als typische Aussage eines Kämmerers sehen, der darauf verweist, dass ein Glas halbleer ist, anstatt dass es eigentlich halb voll ist. Man verweist auf die Jahresabschlüsse, die bessere Zahlen vorweisen, als beim Haushaltsentwurf geplant. Objektiv gesehen muss man dem Kämmerer aber Recht geben. Es war immer Konsens im AK Haushaltskonsolidierung, dass gespart wird, ohne das Wesentliche aus dem Auge zu verlieren: Die Stadt und ihre Bürgerinnen und Bürger. Das ist nicht einfach, da der Anteil der freiwilligen Leistungen lediglich rund 3 – 4 % des Haushaltes ausmacht. Hier weiter sparen zu wollen, geht an unsere Substanz.
Die Pflicht ist mit dem Ausstieg aus dem HSK erfüllt. Nun kommt es auf die Kür an. Wo wollen wir hin? Wie gestalten wir die Zukunft? Welche Schwerpunkte wollen und können wir setzen?
Dieser Haushalt ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Wir investieren rund 14 Mio. €. Darunter für so wichtige Maßnahmen wie den weiteren Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten. In den nächsten Jahren schaffen wir sechs weitere KiTas mit insgesamt 27 Gruppen. Die Verwaltung ist hier mit ihren Planungen auf dem richtigen Weg. Hätte man uns vor 10 Jahren erklärt, dass wir den KiTa-Bereich ausbauen müssen, hätten wir nur den Kopf geschüttelt. Aber wir sind eines Besseren belehrt worden, da Viersen wächst. Und das ist gut so. Auch für unsere Schulen nehmen wir viel Geld in die Hand. Die Bautätigkeit in Zusammenhang mit der Primusschule und der weitere Ausbau der OGS zeigen, dass uns die Schulen wichtig sind. Die Mittel für die IT-Ausstattung sind Investitionen in die Zukunft. Dazu gehören auch die weiteren Schritte im Bereich der Südstadt und der Perspektivplanung für Süchteln.
Aber wie bereits gesagt, ist dies nur ein erster Schritt. Damit wir unsere Stadt für die Erfordernisse der Zukunft gut aufstellen können, müssen wir über den Tellerrand dieses Haushaltes schauen.
Ein Thema, dem wir uns stellen müssen, ist der Klimaschutz. Nicht nur, weil fast 3000 Bürgerinnen und Bürger dies gefordert haben. Die SPD hat die Bürgeranträge zur Ausrufung des Klimanotstandes unterstützt. Es ist nicht so, dass wir nicht bereits in vielen Bereichen richtig unterwegs sind. Es reicht jedoch nicht. Und es ist auch wichtig, ein Symbol zu setzen, dass in Viersen Politik, Verwaltung und Bürgerschaft an einem Strang ziehen. Die Ausrufung des Klimanotstandes wäre das richtige Signal gewesen. Die Mehrheit des Rates war dagegen. Wir respektieren dies, auch wenn wir es nicht nachvollziehen können.
Dennoch waren wir sehr erfreut über die Vorlage der Verwaltung. Diese ging weit über den symbolischen Akt hinaus und hat ganz konkrete Maßnahmen enthalten. Themen wie Photovoltaik oder auch die nachhaltigere Gestaltung von Vorgärten sind nur weitere Aspekte, die auf der Agenda stehen. Der sich bereits heute abzeichnende Klimawandel bedarf eines dringenden Handelns. Nicht nur die EU, nicht nur der Bund können einen Beitrag leisten, auch die Kommunen und jeder einzelne von uns. Unsere Aufgabe als Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker ist es, die Menschen beim Klima- und Umweltschutz mitzunehmen und ihnen ein entsprechendes Angebot zu bieten.
Ein Thema der Zukunft ist auf jeden Fall die Mobilität. Es wird so sein, dass man in einer ländlich geprägten Region nie ganz auf das Auto verzichten kann. Darum geht es aber auch nicht. Es ist wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt nicht vom Auto abhängig sind, wenn sie sich in unserer Stadt oder auch in der Region fortbewegen wollen und müssen. Viersen ist in vielen Bereichen immer noch sehr stark geprägt von den Planern der 60er und 70er Jahren, für die eine moderne Stadt auch immer eine Autostadt war. Davon müssen wir uns lösen. Das Viersen, was uns vorschwebt, muss ein Verkehrsnetz vorhalten, in dem Fußgänger, Fahrradfahrer, der Individualverkehr und der ÖPNV gleichberechtigt sind. Vor diesem Hintergrund ist es auch ein richtiger Schritt, externes Knowhow hinzuzuziehen. Im letzten SteP haben wir den Antrag „Klimafreundliche Verkehrsführung / Radverkehrsführung auf der Freiheitsstraße“ beschlossen. Es ist richtig, die Fertigstellung der Baumaßnahmen rund um den Tiefensammler zu nutzen, um auf einer der wichtigsten Straßen unserer Stadt den nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmern sowie dem ÖPNV mehr Platz einzuräumen. Die Bürgermeisterin hat in der RP von ihrem Traum, einer Fahrradspur auf der Freiheitsstraße, gesprochen. Ich bin optimistisch, dass Sie diese Fahrradspur in Ihrer nächsten Amtszeit auch einweihen werden. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Auch unser Antrag zur Errichtung eines Fahrradparkhauses am Viersener Bahnhof ist ein Mosaiksteinchen, die Rahmenbedingungen für Fahrradfahrerinnen und -fahrern zu verbessern.
Der ÖPNV spielt bei der Verbesserung der Mobilität selbstverständlich ebenso eine wichtige Rolle. Die SPD hat in einem Antrag die Verwaltung aufgefordert zu prüfen, was die Einführung eines „365 € Tickets“ kostet. Uns ist bewusst, dass ein solches Ticket nicht an der Stadtgrenze enden darf. Hier ist eine regionale Lösung erforderlich, da viele Bürgerinnen und Bürger bereits heute aus unterschiedlichen Gründen regional mobil sein müssen. Hier hoffen wir auf Bewegung aus Berlin. Apropos Bewegung: Bei der für uns wichtigen Verlängerung der S28 gibt es nun durchaus Hoffnung, dass sie erreichbar ist. Die vorgelegte Studie bestätigt uns in unserer Einschätzung, dass die Verlängerung der S28 ein wichtiger Lückenschluss im Verkehrsnetz am linken Niederrhein ist. Für unsere Pendlerinnen und Pendler eine wichtige Entwicklung.
Wir müssen jedoch – das ist gerade für uns Sozialdemokraten wichtig – bei diesem Thema alle Menschen mitnehmen. Politik darf nicht nur für die gemacht werden, die es sich leisten können. Nachhaltige Politik beschränkt sich nicht auf das Thema Klima, sondern wir müssen auch die soziale und die finanzielle Nachhaltigkeit im Blick behalten. Hier gibt es genug Handlungsfelder. Viersen muss auch weiterhin eine Stadt für alle sein. Eine Stadt, in der man wohnen, arbeiten und seine Freizeit verbringen kann. Eine Stadt, die ein großes kulturelles und sportliches Angebot bietet. Eine Stadt, in der Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren gerne leben. Eine Stadt für die, die hier geboren sind und für die, die hingezogen sind. Eine Stadt, die allen Menschen eine Heimat bietet, trotz unterschiedlicher finanzieller Möglichkeiten.
Dies zu ermöglichen wird unsere Aufgabe sein. Die Kommunalwahl wird hier unterschiedliche Konzepte und Ansätze liefern. Für uns Sozialdemokraten gibt es eine Reihe von Themen, die wir in Viersen anpacken müssen. Was fehlt ist Wohnraum, insbesondere bezahlbarer. Die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum ist die entscheidende soziale Frage. Mit der städtischen Tochter VAB und anderen örtlichen Wohnungsbaugesellschaften haben wir geeignete Instrumente, um solchen Wohnraum zu schaffen. Trotzdem sind noch Anstrengungen erforderlich. Vor allem um die Quadratur des Kreises – gleichzeitig günstig und ökologisch zu bauen – zu schaffen.
Trotz der Sparanstrengungen haben wir ein hochwertiges Kulturangebot aufrechterhalten. Wie aber können wir es schaffen, es mehr Menschen zugänglich zu machen? Wie können wir KiTas und Schulen noch stärker einbeziehen? Wie können wir gezielt Familien bzw. Menschen mit sozialen Schwierigkeiten ansprechen?
Das Thema Integration ist eines der wichtigsten Themen der Zukunft. Es ist vor allem ein Querschnittsthema, das alle Bereiche berührt. Sport und Kultur, KiTas und Schule, aber auch die Wirtschaftsförderung sind dafür nur Beispiele. Und ganz besonders wichtig ist hierbei der Arbeitsmarkt. Die Hürden für Arbeitgeber sind hoch, Flüchtlinge in Ausbildung zu nehmen. Dies ist oft nur mit Ehrenamtlern möglich. Wir müssen daher Mittel und Wege finden, Flüchtlinge in Ausbildung zu vermitteln. Das ist nicht nur wichtig für die Integration dieser Menschen, sondern auch wichtig für die Unternehmen, die zum Teil händeringend Auszubildende suchen.
Worauf wir in Viersen bauen können, sind die vielen engagierten Bürgerinnen und Bürger. Das Engagement für den Klimanotstand und beim Bürgerbegehren zum Thema Stolpersteine zeigen, dass wir eine aktive Bürgerschaft haben. Nicht zu vergessen sind die vielen Menschen, die sich ehrenamtlich einbringen. Dies zeigt, dass die Viersenerinnen und Viersener sich für die Belange ihrer Stadt interessieren und aktiv einsetzen. Machen wir uns nichts vor: Ohne das Ehrenamt ist unsere Gesellschaft absolut nicht zukunftsfähig. Ob in den vielen Vereinen und Organisationen, über die Freiwilligenzentrale, der Feuerwehr oder den unzähligen anderen Bereichen: Ehrenamtler investieren freiwillig sehr viel Zeit für ihr gesellschaftliches Engagement. Eine Kommune kann dies in der Form nie kompensieren. Und Politik muss hier ansetzen. Wir müssen die Rahmenbedingungen verbessern, dass Menschen sich engagieren können. Ob dies durch finanzielle Mittel, durch eine Verbesserung der räumlichen Infrastruktur oder durch eine zentrale Anlaufstelle in der Verwaltung erreicht werden kann, müssen wir prüfen.
Eine gute Nachricht sind die Planungen bzgl. des Seniorenheims auf dem Gelände der Papierfabrik in Süchteln. Aber es gibt darüber hinaus noch weiteren Bedarf an flexiblen Pflegemöglichkeiten wie Kurzzeitpflege, Tagespflege oder Wohnen mit Service in unserer Stadt. Dabei sind wir natürlich auch von der Pflegebedarfsplanung des Kreises abhängig. Jedoch müssen wir vor Ort unsere Hausaufgaben machen, um in unserer Stadt Impulse zu setzen.
Dies geht nur, wenn wir über die entsprechenden personellen Ressourcen verfügen. Deshalb stimmen wir dem Stellenplan zu. In Zeiten knapper Kassen fällt der Blick immer auf die Personalkosten. Die IHK spricht in ihrer Stellungnahme zum Haushaltsentwurf davon, dass die Ausweitung des Stellenplans gerade im Kindes-, Jugend- und Sozialbereich den Haushalt entsprechend belastet. Liebe IHK, auch wir können rechnen. Aber es gibt gute Gründe, in den Bereichen neue Stellen zu schaffen. Oft sind es neue Aufgaben durch veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen. Oder es ist der Ausbau der Kinderbetreuung, der zwingend notwendig ist, um eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sichern. Dringend benötigte, qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden den Unternehmen nur zur Verfügung stehen, wenn sie die Betreuung ihrer Kinder gesichert wissen. Auch dies gehört zu einer weitsichtigen Betrachtung. Ob die Schaffung einer weiteren Stelle in der Wirtschaftsförderung – noch bevor die neue Wirtschaftsförderin ihre Arbeit aufgenommen hat – zu diesem Zeitpunkt sinnvoll ist, sei mal dahingestellt und konnte uns nicht einmal von den Antragstellern überzeugend erläutert werden. Lassen Sie uns doch in Ruhe schauen, ob Stellen immer notwendig sind oder nicht. Wir sollten im ersten Schritt ein Stellenprofil erstellen und Aufgaben definieren, bevor Stellen beschlossen werden. Aber bei allem Verständnis für ein Hinterfragen von Kosten: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung haben einen Anspruch auf vernünftige Arbeitsbedingungen genauso wie die Bürgerschaft ein Recht auf eine handlungsfähige Verwaltung hat. In diesem Zusammenhang kann man zum Entschluss kommen, dass eine Anmietung der alten Post die richtige Antwort ist.
Abschließend möchte ich mich im Namen meiner Fraktion beim Kämmerer und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Kämmerei und Finanzverwaltung für die geleistete Arbeit bedanken. Für Sie, Herr Canzler, war es der erste Haushalt, den Sie in Gänze zu verantworten haben. Darüber hinaus möchte mich auch ganz besonders bei Michael Gehrmann bedanken, für den der Haushalt 2020 der letzte Haushalt war, den er erstellen durfte. Lieber Michael, Du hast nicht nur einen sehr guten Musikgeschmack, sondern Du hast auch – wie man ja aus sicherer Quelle hört – eine sehr zuverlässige Glaskugel im Büro stehen gehabt. Wir wären Dir wirklich sehr verbunden, wenn Du uns diese Glaskugel zur Verfügung stellen könntest.
Ihnen allen danke ich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen ein besinnliches Weihnachtsfest und alles Gute für das Jahr 2020.
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